Seit 1736 Blasmusik in Oedheim

1993 – 1974 = 100 ? Oedheims Blasmusik wird immer älter! 

1974 feierte sie ihr 150-jähriges Jubiläum in der Kochertalgemeinde, 1993 berief sie sich schon auf 250 Jahre… Wie aber konnte man in nur 19 Jahren – ohne einen Rechenfehler zu machen – um 100 Jahre älter werden? Die Antwort war einfach: Man musste nur eine ältere Urkunde als bisher bekannt finden, in der man vorkommt. Und die gab es!

Sauber verpackt und gebündelt fand sich im Keller des Rathauses eine Reihe von Schriftstücken, zurückgehend bis ins Jahr 1736: die “Oedheimer Bürgermeister Rechnungen”. In ihnen sind auf Mark und Pfennig – besser: auf Gulden und Kreuzer – genau alle Einnahmen und Ausgaben der damaligen Oedheimer Gemeindeverwaltung festgehalten.

Und die hatte für musikalische Belange offenbar ein offenes Ohr und ebenso offene Hände. Sind doch da in der von Johann Melchior Zartmann akkurat geführten Bilanz des genannten Jahres 1736 Ausgaben musikalischer Art mit folgendem Inhalt vermerkt:

“1 Gulden 15 Kreuzer wurden denen allhießig Musicanten auf Sanct Caecillia Tag zu ihrem Deputierten Lohn gereicht.”

In Hochdeutsch: Am Tag der heiligen Cäcilia, dem 22. November also, bekamen hiesige Musikanten ihren vereinbarten Lohn von 1 Gulden und 15 Kreuzern.

Was ergibt sich aus diesem einfachen Sätzchen: Erstens, dass es im Jahr 1736 in Oedheim schon Musikanten gab, zweitens, dass sie vom Ort, also “allhießig” waren und drittens, dass sie am Sankt
Cäcilia-Tag aufgespielt haben. Genannt sind sie in der gleichen Bürgermeisterrechnung sogar schon zweimal vorher, doch geht aus diesen Quellen nicht ganz eindeutig hervor, dass es Oedheimer Spielleute waren, jedoch ist dieses stark zu vermuten.So heißt es zum einen:

“1 Gulden 20 Kreuzer seynd denen Musicanten und anderen, so bey der prosession gedienet, als man auf Mariae Heimbsuchung nacher Höchstperg wallfahrten gangen, zu verrzehren geben worden.”

Also: Die Musiker und andere, die bei der Prozession an Maria Heimsuchung – dem 2.Juli 1736 – nach Höchstberg mitgewirkt haben, bekamen 1 Gulden und 20 Kreuzer an Zehrgeld.

Und kurz darauf:

“1 Gulden 15 Kreuzer seynd auf Sanct Ciriaci Tag vor Wein und Brod ausgeben worden, als Eine ganze gemeind nacher Höchsperg gewallfahrtet und durch Herrn Dechand, Schulmeister und Musicanten verzehrt worden.”

Am St. Ciriaci Tag, dem 8. August 1736, war also bereits wieder eine Wallfahrt der gesamten Gemeinde nach Höchstberg, und dabei bekamen der Dechant – der Vorsteher des Kirchenbezirks also, sowie der Schulmeister und die Musikanten ein Vesper mit Wein und Brot auf Kosten der Gemeinde.

 

Die ersten Musikanten und “Heilige Rechnungen” 

Was waren das für Musikanten, die hier vor 282 Jahren – und sicher auch schon zuvor, doch darüber gibt es nun tatsächlich keine früheren Quellen mehr – so fleißig in Erscheinung traten? Es
war eine Handvoll – fünf bis sechs höchstens – von Spielern mit Geigen und Trompeten, wahrscheinlich auch Posaunen und Holzblasinstrumenten, die in erster Linie Musik und Gesang in
der Kirche und bei religiösen Anlässen unterstützten. Allerdings waren es auch keine reinen Kirchenmusiker, sondern oft ehemalige Militärmusiker, die nach Hause gekommen waren und
sich dort mit ihren Instrumentenkenntnissen ein kleines Zubrot verdienten.

Ab 1781 begegnen uns dann diese Musikanten auch in den “Heiligen Rechnungen” im Oedheimer Pfarrarchiv. So vermerkt dort ein Leopold Jochim unter der Rubrik “Einnahm Geld”, dass man von “fremden Musikanten” für das Aufspielen auf den zwei Oedheimer Jahrmärkten am Magdalena-Markttag 10 Kreuzer erhoben habe. Allerdings handelt es sich hier eindeutig um fahrende Spielleute, keine Oedheimer also.Doch später im gleichen Jahr und der gleichen “Heiligen Rechnung” dürften dies ortsansässige gewesen sein: Wieder am Cäcilia-Tag, dem 22. November also, bekamen diese 24 Kreuzer in bar und Wein, der in der Kirchenbilanz mit 16 Kreuzern zu Buche schlug. (Die Heiligen-Rechnung von 1781 weist dabei Beträge auf, die im Jahr 1780 angefallen waren.) Das Pfarrarchiv sorgt in den nächsten Jahren immer wieder für weiteres Quellenmaterial. In den “Heiligen Rechnungen”von 1785 und 1786 heißt es zum Beispiel, dass die Musikanten entsprechende Barbeträge oder Wein am Füsiliertag bekommen hätten.

 

Blasende Instrumente

1817 erzählt die Pfarrchronik dann, dass am 30. August dieses Jahres um 3 Uhr nachmittags mit allen Glocken eine Viertelstunde geläutet worden sei. Und: “Am Sonntag, morgens früh, machte der
hiesige Schulleiter Karl Ochs mit seinen Musikanten auf dem Kirchturm Musik mit blasenden Instrumenten gegen alle Teile des Orts.” Was heute als gröbste Verletzung der Nachtruhe eingestuft
würde, ist eine frühe Quelle dafür, dass zu dieser Zeit schon eine organisierte Blaskapelle vor Ort zugange gewesen sein muss.

Am 30. Mai 1839 taucht die Blasmusik dann auch im Gemeindearchiv anlässlich einer Schulhauseinweihung auf. Es dürfte sich dabei um die in den Neunzigern abgerissene
“Backhausschule” in Oedheim handeln: “Die Schuljugend versammelt sich um des Nachmittags 2 Uhr im neuen Schulgelände und zog unter Musikbegleitung unter Anführung ihrer Lehrer und Anwesenheit sämtlicher zugegen
gewesener Kinder auf die nächst der Kocherbrücke gelegene Wiesenfläche, wo die Kinder auf öffentliche Kosten eine Erfrischung erhielten.“ Die Musiker ganz bestimmt ebenfalls – auch wenn’s nicht drin steht. Denn Musikerkehlen sind und waren schon immer durstig. Gott sei Dank übrigens, denn nur über ihre Getränkekosten sind sie so früh in Oedheim schon nachweisbar.

Somit sind wir die 5 älteste Kapelle bzw. Musikverein in Baden-Württemberg.